Multifunktionale Bauteile nach individuellem Kundenwunsch – Neue Möglichkeiten der inkrementellen Umformung

Multifunktionale Bauteile nach individuellem Kundenwunsch – Neue Möglichkeiten der inkrementellen Umformung

Matthias Demmler, Dieter Weise
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU

Es ist in der heutigen Fertigungswelt von umformtechnisch hergestellten Bauteilen eines der größten Herausforderungen für jedes Unternehmen schnell zu sein, kostengünstig Werkzeuge auch für kleine Serien herstellen zu können und mit den zu verarbeitenden Materialien sorgsam und effizient umzugehen.

Das prinzipielle Ziel einer „Stückzahl -1- Produktion“ ist als übergeordneter Parameter für die Zukunft zu betrachten. Eine Möglichkeit, den Marktansprüchen gerecht zu werden, bietet das inkrementelle Blechumformen. Das Verfahren existiert als händische Technologie schon seit Jahrhunderten in Form der Arbeit eines Blechners. Diese manuelle Variante ist bis heute begrenzt auf eine qualitativ subjektive Qualitätsnormung und in der Folge auf eine endliche menschliche Ressource u. a. auch was die Blechdicke und die Festigkeiten betrifft. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Fertigen von Außenhautteilen der Gondel von Großwindkraftanlagen in Italien, wobei die Produktionszahl für eine komplette Gondel bei 2 – 3 Stück pro Jahr liegt. Abgesehen von Maßhaltigkeiten und einer zu betrachtenden Reproduzierbarkeit kann dies nicht der richtige Fertigungsweg der Zukunft für die Ausformung von Großblechteilen in großen Dimensionen sein.

Am Fraunhofer IWU in Chemnitz hat man sich seit nunmehr ca. 10 Jahren der Ausformung dieser Großblechbauteile für verschiedenste Materialgüten und -dicken gewidmet. Besonderer Fokus der Arbeiten lag dabei auf der Entwicklung wirtschaftlicher Werkzeugtechnik, der Optimierung der Bahnkurven für unterschiedliche Bauteilgeometrien, der erreichbaren Maßhaltigkeiten und Oberflächenqualitäten, der Einspannung des Blechhalbzeuges und deren kinematischen Optimierung sowie der Verbesserung des tribologischen Systems für unterschiedliche Blechlegierungen mit unterschiedlicher adhäsiverer Neigung.

Für die praktische Umsetzung der inkrementellen Umformtechnologie großdimensionaler Blechformteile wurde ein am IWU Chemnitz vorhandenes, ehemaliges Fräszentrum mit
einer Tischgröße 4 m x 3 m genutzt und bezüglich der zu erwartenden Umformkräfte den Prozessan-forderungen angepasst. Es konnte insbesondere in den letzten 3 bis 4 Jahren an zahlreichen Industriedemonstratoren gezeigt werden, dass die inkrementell arbeitende Großblechteilherstellung sehr wirtschaftlich und vor allem mit sehr kurzen Fertigungszeiten, inkl. dem Werkzeugbau, realisiert werden kann. Die „Stückzahl-1–Produktion“ ist keine Illusion mehr – sie ist am IWU Chemnitz bereits Realität und soll durch die Entwicklung und den Bau eines neuen multifunktionalen inkrementell arbeitenden Portals weiter vorangetrieben werden werden.